heiß diskutiert...
👉 Integrierte Chargenkontrolle
Chargenkontrolle im Sterilisationsprozess:
integriertes System vs. klassisches PCD
Bei der Sterilisation von Medizinprodukten müssen die Anwender/innen in ZSVA/AEMP einen Nachweis über den „funktionierenden“ Prozess erbringen. Dafür bietet der Markt verschiedene Systeme an und die Anwender/innen stehen nicht selten zwischen den Aussagen der Hersteller unterschiedlicher Prüfmethoden, ist doch jedem seines immer das beste und die einzige Wahl. Validierer (oft vom Gerätehersteller selbst) und Behörden helfen einem eher weniger bei der Auswahl eines korrekten Prozessüberwachungsmedium. Hier hilft nur der eigene Blick in Richtlinien und Normen, und natürlich mit gesundem Menschenverstand die jeweilige Technik logisch zu hinterfragen.
Einige Sterilisatoren-Hersteller bieten an, Großsterilisatoren z.B. mit einem „integrierten System“ (z.B. NKG-Detektor oder ein elektronisches System) auszurüsten. Dieser Detektor soll sowohl Bowie-Dick-Test als auch Chargenüberwachung ersetzen und damit die Verwendung von Testsystemen mit Indikatorstreifen überflüssig machen. Eine weitere Variante ist ein elektronischer oder ein „interner“ Helix-Test. Zusätzlich zu technischen Aussagen wird häufig eine Wirtschaftlichkeitsrechnung gezeigt, die eine schnelle Amortisation durch das Weglassen von Indikatoren beweisen soll.
Elektronischer Test
Durch eine Temperaturmessung im Inneres eines fest montierten Schlauchs und einem Vergleich des gemessenen Wertes mit einer Solltemperatur außerhalb des Schlauchs soll ein Rückschluss erfolgen, ob im Schlauch eine vollständige Dampfpenetration erfolgt ist. Es handelt sich damit um das Prinzip der „elektronischen Helix“, dessen Umsetzung seit vielen Jahren von verschiedenen Firmen - bisher erfolglos - versucht wurde. Auch die Fa. GKE hat zahlreiche Messungen durchgeführt, um zu prüfen, ob der Temperaturverlauf im Inneren eines Prüfkörpers (PCD) anzeigen kann, ob die Dampfdurchdringung erfolgreich ist. Der Gedanke dahinter lautet, dass die Temperatur bei Abwesenheit von Dampf im Prüfkörper eventuell langsamer ansteigt, als außerhalb des PCD. Indikatorstreifen wären dann überflüssig.
Als Ergebnis wissen wir heute, dass aus technischer Sicht der Temperaturanstieg im Inneren eines Hohlkörpers bei mangelhafter Dampfdurchdringung tatsächlich langsamer abläuft, dass die zeitliche Verzögerung wegen der extrem kleinen Volumina in einem Hohlkörper aber nur minimal ist und deshalb de facto nicht bzw. nur sehr eingeschränkt messbar ist. Hierzu liegt von GKE die „Technische Information TI 730-111“ vor. Darin werden einmal die erfolgreiche und einmal die fehlerhafte Sterilisation eines Hohlkörpers dokumentiert. Die Temperaturmessung im Inneren des Hohlkörpers zeigt, dass der Temperaturverlauf in beiden Fällen gleich ist. Der Temperatursensor im Inneren des Hohlkörpers liefert keine Information, die eingelegten Indikatorstreifen im Hohlkörper haben die erfolgreiche und die mangelhafte Dampfdurchdringung dagegen sicher anzeigen können.
Eigenschaften
Das Detektor- bzw. elektronische System soll sowohl Bowie-Dick- als auch Chargenüberwachungstest ersetzen.
1. Bowie-Dick-Simulation: Es wird im Verkaufsprospekt deklariert, dass das Detektor-System die Anforderungen der EN 11140-4 erfülle und damit ein „anerkannter alternativer Bowie-Dick-Test“ sei. Zur Normkonformität existiere eine Bestätigung von einem unabhängigen externen Prüflabor. Dieses Dokument liegt uns nicht vor, sollte aber in jedem Fall grundsätzlich von Interessenten an diesem Detektor-System vorab angefordert werden. Um die Erfüllung der EN 11140-4 zu prüfen, muss ein Teststerilisator verwendet werden, der ebenfalls in dieser Norm beschrieben ist und in dem festgelegte, d. h. definierte fehlerhafte Zyklen gefahren werden können, nämlich „mangelhafte Luftentfernung“, „nicht kondensierbare Gase (NKG) im Dampf“ und „Leckage“. Ein Bowie-Dick-Simulator muss dann diese Fehler in gleicher oder höherer Empfindlichkeit detektieren, wie ein originales BD-Testpaket. Diese Tests können mit einem herkömmlichen, d. h. alltagstauglichen Sterilisator nicht ausgeführt werden. Das Detektor-System ist ein elektronisches Messgerät, das deshalb regelmäßig neu kalibriert werden muss.
Um eine Neukalibrierung entsprechend der EN 11140-4 durchzuführen, müsste das Detektor-System zum Zwecke der Kalibrierung aus dem Sterilisator ausgebaut, in ein Labor mit Teststerilisator gebracht, dort kalibriert und danach zurückgeschickt und erneut eingebaut werden. Die Herstellernorm für Großsterilisatoren, EN 285, fordert zwei obligatorische Typtests, die ein Großsterilisator bestehen muss. Erstens den Bowie-Dick-Test mit 7 kg Wäsche und zweitens den Hohlkörpertest („Helix-Test“) nach ISO 11140-6 (ers. EN 867-5). Laut Angabe des Herstellers erfüllt das Detektor-System mit der Bowie-Dick-Simulation nur einen dieser beiden Typtests. Wenn der morgendliche Funktionstest des Sterilisators, wie laut EN 17665-1 und laut RKI-Empfehlung gefordert, mit beiden Testanforderungen (sowohl Bowie-Dick-Test als auch Helixtest) durchgeführt werden soll, ist das Detektor-System dafür ungeeignet.
2. Chargenüberwachungssystem: Das Detektor-System beinhaltet laut Verkaufsprospekt auch ein Chargenkontrollsystem, so dass auch „die Chargenkontrollfunktion zum Einsatz“ kommen könnte. Ein Chargenüberwachungssystem muss nachweisen, dass bei jeder Charge eine erfolgreiche Dampfdurchdringung im Inneren der Beladung, d. h. im Inneren der Verpackungen und Hohlinstrumente gewährleistet ist. Deshalb muss die Anforderung des Chargenüberwachungssystems höher sein, als die der realen Beladung. Entsprechend ist ein Testsystem auszuwählen, das zur Beladung passt und das je nach Beladung mehr oder weniger anspruchsvoll sein muss. Die Fa. GKE hat aus diesem Grund mehr als 30 verschiedene Testsysteme im Sortiment, um jeweils eine zur Beladung passende Testanforderung als Chargenüberwachungssystem anbieten zu können.
Das Detektor-System ist in seiner Empfindlichkeit fest eingestellt und kann nicht an die Beladung angepasst werden. Insofern handelt es sich um ein System zur Überwachung einer vom Hersteller festgelegten Funktion des Sterilisators, es ist aber nicht für die Chargenüberwachung geeignet. Die Testempfindlichkeit des Detektor-Systems selbst wird nicht spezifiziert. Es wird keine Norm, keine Beladung und auch keine sonstige Referenz angegeben, gegen die das Testsystem validiert ist. Als einzige Testeigenschaft wird die Bowie-Dick-Simulation nach EN 11140-4 deklariert (siehe 2a), die aber nur für den morgendlichen Funktionstest, nicht aber für die Verwendung als Chargenüberwachungssystem geeignet ist, da der BD-Test solide Instrumente und poröse Beladungen, nicht aber Hohlkörper überwachen kann.
Ein NKG- bzw. Inertgas-Detektor entnimmt den zu prüfenden Dampf meist außerhalb der Sterilisationskammer und untersucht ihn auf nicht-kondensierbare Gase. Einige Gase kann ein Detektor allerdings nicht „sehen“, z.B. gelöstes CO2. Des weiteren lässt der geprüfte Dampf außerhalb der Kammer absolut keine Rückschlüsse auf die normativ geforderte Dampfdurchdringung in den Containern bzw. Hohlkörperinstrumenten zu. Auch die DGKH empfiehlt durchaus einen NKG-Detektor als zusätzliches Überwachungsmedium, aber einen Dampfdurchdringungstest kann ein Detektor nicht ersetzen.
Kostenrechnug
Wegen der technisch falschen Angabe, dass das Detektor-System eine Chargenüberwachungsfunktion hat, wird häufig auch noch zusätzlich eine Wirtschaftlichkeitsberechnung angegeben, die die Amortisation des Geräts durch Weglassen von Indikatorstreifen zeigen soll. Als Fußnote wird zu diesem Diagramm angegeben, dass für den Rechenweg von folgenden Parametern ausgegangen wird:
250 Arbeitstage pro Jahr,
8 Chargen pro Tag,
BD-Indikatorpreis: 1,50 EUR,
Chemoindikatorpreis pro Charge: 1 EUR,
Mitarbeiterkosten pro Stunde 25 EUR,
Zeit pro BD-Prüfung: 17 Minuten,
Zeit pro CI-Prüfung: 2 Minuten.
Abgesehen davon, dass der Vergleich von Investitions- und Betriebskosten ohnehin bedenklich ist, setzt der Hersteller die Kosten pro BD-Test und pro Chargentest vollkommen überhöht an. Die Kosten für z.B. GKE-Testsysteme liegen in 2024/25 bzgl. BD-Test bei 0,87 Euro pro Teststreifen und bzgl. Chargenüberwachungssystem bei 0,42 pro Teststreifen, also deutlich unter den Rechenwerten. Weiterhin wird in der Hersteller-Rechnung Arbeitszeit kalkuliert, die für die Handhabung der Testsysteme anfällt. Selbstverständlich benötigt ein Testsystem einen gewissen Zeitaufwand. Aber die Annahme, dass pro BD-Test-Auswertung 17 Minuten Zeitaufwand anfallen, ist natürlich vollkommen unrealistisch und dient offensichtlich nur dem Ziel, das gewünschte Rechenergebnis möglichst eindrucksvoll zu erreichen. In der Vergleichsrechnung werden umgekehrt einige Werte und Zusammenhänge bewusst nicht deklariert, z. B.:
- Wenn die Chargenzahl reduziert wird, reduziert sich damit automatisch auch die Menge der verwendeten Verbrauchsmaterialien. Die Kosten für einen Detektor bleiben aber auch bei geringerer Chargenzahl unverändert hoch.
- Ein Detektor kann jederzeit durch einen Defekt erhebliche Reparaturkosten verursachen.
- Ein Wartungsvertrag für Sterilisatoren mit Detektor ist erheblich teurer als für Geräte ohne Detektor. Gleichzeitig verbinden gleich mehrere Sterilisatorhersteller den Verkauf eines Detektors mit der Verpflichtung für den Kunden, einen Wartungsvertrag abzuschließen und mit dem Verbot, die Prozessvalidierung durch einen externen, unabhängigen Dienstleister durchführen zu lassen.
- Da es sich um ein elektronisches System handelt, muss ein Detektor regelmäßig neu kalibriert werden. Für die Kalibrierung als Bowie-Dick-Simulationstest gemäß EN 11140-4 wären dann Testläufe in einem Teststerilisator nach EN 11140-4 nötig (siehe Punkt 1.), d. h. für eine normgerechte Neukalibrierung müsste das Detektor-System ausgebaut und nach der Prüfung in einem Labor wieder zurückgeliefert und eingebaut werden. Bei transportablen BD-Testsystemen ist dies kein Problem. Bei einem fest im Sterilisator eingebauten System ist diese Vorgehensweise und damit eine normgerechte Neukalibrierung aber nicht möglich bzw. sie wäre mit erheblichen Kosten und mit Betriebsausfall verbunden.
Zusammenfassung
Ein Detektor-System kann verwendet werden, um neben den herkömmlichen Messinstrumenten für Druck, Temperatur und Zeit auch zusätzliche Parameter zu überwachen und damit noch besser die einwandfreie Funktion des Sterilisators sicherzustellen. Insofern sind Detektoren durchaus empfehlenswerte Zusatzausstattungen neuer Dampfsterilisatoren, indem sie z. B. bis zu einem gewissen Grad die Dampfqualität prüfen. Sie sind aber nicht geeignet, die vollständige Dampfdurchdringung im Inneren der Beladung zu überwachen und können deshalb ein Chargenüberwachungssystem sehr gut ergänzen, aber in keinem Fall ersetzen.
Das sieht die DGKH übrigens genauso ☝️